Silvia Pax optima rerum


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Wildpferde

Ein alter Mann lebte zusammen mit seinem einzigen Sohn auf einer kleinen Farm. Sie besaßen nur ein Pferd, mit dem sie die Felder bestellen konnten und kamen gerade so über die Runden.

Eines Tages lief das Pferd davon. Die Leute im Dorf kamen zu dem alten Mann und riefen “Oh, was für ein schreckliches Unglück!” Der alte Mann erwiderte aber mit ruhiger Stimme: “Wer weiß…, wer weiß schon, wozu es gut ist?”

Eine Woche später kam das Pferd zurück und führte eine ganze Herde wunderschöner Wildpferde mit auf die Koppel. Wieder kamen die Leute aus dem Dorf: “Was für ein unglaubliches Glück!” Doch der alte Mann sagte wieder: “Wer weiß…, wer weiß schon, wozu es gut ist?”

In der nächsten Woche machte sich der Sohn daran, eines der wilden Pferde einzureiten. Er wurde aber abgeworfen und brach sich ein Bein. Nun musste der alte Mann die Feldarbeit allein bewältigen. Und die Leute aus dem Dorf sagten zu ihm: “Was für ein schlimmes Unglück!” Die Antwort des alten Mannes war wieder: “Wer weiß…, wer weiß schon, wozu es gut ist?”

In den nächsten Tagen brach ein Krieg mit dem Nachbarland aus. Die Soldaten der Armee kamen in das Dorf, um alle kriegsfähigen Männer einzuziehen. Alle jungen Männer des Dorfes mussten an die Front und viele von ihnen starben. Der Sohn des alten Mannes aber konnte mit seinem gebrochenen Bein zu Hause bleiben.

“Wer weiß…, wer weiß, wozu es gut ist?”

Commenti 2

  • Anette Z. 19/07/2021 15:16

    Sehr schöne Geschichte. Manchmal sind die Wege des Herrn verschlungen und unergründlich ;-) Das Bild passt dazu. Starke Kontrate. Ein Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel. Eine weite Landschaft aber der Himmel ist noch weiter.
    Man kann zum Himmel aufsehen und die Weite und Vielfalt sehen.

    Die Welt ist nicht schwarzweiß. Sie hat unendlich viele Graustufen.

    Ich habe dazu auch eine Geschichte. Eine wahre Geschichte. Als mein erstes Kind geboren wurde, konnte ich nicht mehr in meinem Beruf arbeiten. Der war nicht mit Kindern vereinbar.
    Ich habe ein paar Jahre pausiert und irgendwann angefangen, als Lehrerin Vertretungsstunden zu geben. Das war eine sehr anstrengende Zeit aber danach wusste ich: Der Beruf macht mir Spaß.
    Vor 11 Jahren habe ich eine Ausbildung als „Seiteneinsteigerin“ angefangen. Das war hart. Wegen der drei relativ kleinen Kinder. Aber auch weil die Ausbildung nicht wirklich organisiert war. Mehr chaotisch. Niemand wusste genau, wie das gehen sollte. Mit vielem musste ich alleine fertig werden.
    Wir waren ca. 15 Seiteneinsteiger und wurden mit den Referendaren zusammen ausgebildet. Aber wir mussten vieles selbst machen. Praktischen Ausbildungsunterricht bekamen wir nicht. Nur die Theorie im Seminar.

    Das Resultat: C.a. 1/3 von uns hat abgebrochen. C.a. 1/3 ist im ersten Anlauf durch die Examensprüfung gefallen. Ich war im Mittelfeld. Also beim zweiten Drittel.
    Ich hatte den letzten Prüfungstermin. Habe alle anderen durchfallen sehen. Die hatten auch noch alle dasselbe Fach wie ich: Physik. Kein einziger Seiteneinsteiger in Physik hat die Prüfung im ersten Anlauf geschafft. Ich war mit den Nerven völlig fertig.

    Aber ich habe mich aufgerappelt und im zweiten Anlauf die Prüfung geschafft. Das haben wir alle. Dabei habe ich gelernt, wie sich das anfühlt, voll gegen die Wand gefahren zu werden. Selbst nicht zu wissen, was man machen soll. Weil die Hälfte der Ratschläge, die man bekommt nicht umsetzbar oder einfach nur realitätsfremd ist.

    Heute sehe ich, wie mit manchen Schüler das Gleiche passiert. Ich biete ihnen meine Hilfe an und sie vertrauen mir. Manchmal erzähle ich von meiner Ausbildung. Dann sage ich „Wenn mir das ermöglicht, dir in die Augen zu sehen und zu sagen ‚Ich weiß wie du dich fühlst‘ dann war es das wert.“

    Gruß, Anette
  • Fotobock 18/07/2021 20:24

    Wunderbar. lg Barbara