half-an-hour-Goddess

half-an-hour-Goddess

Im Jahre 1566 gegen 17.00h mag es gewesen sein, als das Herz zu Stein ward und ihr ein Leben als aus Granit gemeißelte Götterstatue im in eben diesem Jahr in dieser südindischen Stadt vollendeten Tempel beschieden schien.
Eine wechselvolle Geschichte des Tempels, jahrhundertelang regungslos begleitet im Sockel eines filigranen Pfeilers und Ruhe nur in jenen raren Momenten, in denen das Leben im Tempel schlief.

Laut Tarifvertrag stand ihr dabei alle 431 Jahre, 10 Monate und 17 Tage ein jeweils halbstündiger Urlaub nach freiem Belieben zu. So stieg sie herab als Göttin, fleischgeworden für den Moment und auskostend jene Ruhe, in der sie sich im zum Zeitpunkt ihres Urlaubs menschenleeren Tempels wähnte - fast menschenleer, denn übersehen hatte sie jenen Wanderer, der trotz der Mittagshitze regungslos an eine Stele gelehnt weilte und in großen Zügen Atmosphäre in sich einsog.
So wurde der Wanderer zum einzigen Zeugen jenes unglaublichen und raren Geschehens, welches sich dem Tarifvertrag nach dann erst im Jahre 2.428einhalb wiederholen sollte.

Besucherin im Jalakanteshwara-Tempel, Vellore 1997
Scan vom Dia