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Harry hatte immer Durst

Harry hatte immer Durst

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smokeonthewater


Premium (World), Berlin

Harry hatte immer Durst

Harry Rowohlt (27. März 1945 – 15. Juni 2015)

Vor 15 Jahren hatte ich das Vergnügen, Harry in einer Lesung zu erleben und bei einem anschließenden Beisammensein näher kennen zu lernen.
Er fand es sehr lustig und lobenswert, dass ich in meiner Freizeit Mundarttexte für einen kleinen Verlag lektoriere (siehe Widmung).
"Durst und andere dringende Dinge" von Flann O'Brien las er nicht nur vor, das Buch hatte er auch übersetzt.

Bei seinen Lesungen machte Harry generell keinen Hehl daraus, dass er alkoholfreie Getränke verschmähte.
Einige Schoppen inspirierten ihn, immer wieder spontan den Lesetext zu unterbrechen und eloquent mit den Zuhörern zu plaudern.
Dabei schweifte er vor allem in skurrile und absurde Gedanken und Dialoge ab. Ein lebendes Kunstwerk, dieser Mann!

Als Erbe der Hälfte des Rowohlt-Verlagsvermögens hatte er ausgesorgt. Statt sich als Verleger zu plagen, schrieb und übersetzte er lieber selbst.
Er übersetzte viele englische und irische Autoren ins Deutsche, darunter selbst Bücher, die wegen ihres Wortwitzes als unübersetzbar galten.
Er war ein Hamburger Original mit einer unverwechselbaren sonoren Stimme und einem Esprit, der sich auch in allen seinen Übersetzungen zeigt.

https://www.youtube.com/watch?v=8s_FPRFvHz8

Commenti 27

  • T. Schiffers 18/06/2015 21:15

    ...interessante story von einem bestimmt interessanten typp..tino
  • Strato Caster 18/06/2015 11:55

    Schöner Nachruf von dir. Sehr traurig!
    LG Thilo
  • smokeonthewater 17/06/2015 21:52

    Ich denke auch, Harry hätte gern mit uns "geklönt und gesnackt". Zumal er politisch links tickte, auch Tucholsky und Mühsam vorlas und sogar mit Gysi auftrat. Und er nahm sich auch der ostdeutschen Klassiker wie Joachim Ringelnatz an.
  • gelbhaarduisburg 17/06/2015 21:32

    @SUZIKJU
    Schade! Harry hätte sicher nichts dagegen.
  • SUZIKJU 17/06/2015 20:56

    Ich stimme hier nicht allen zu, aber unter dieser Erinnerung an einen Künstler führt mir diese Art der Diskussion zu weit.

    LG regina
  • smokeonthewater 17/06/2015 10:12

    Ja, da stimme ich zu.
  • gelbhaarduisburg 17/06/2015 9:13

    1990 war für mich nicht bloß ein Wendepunkt für Deutschland. An die Wiedervereinigung allein denke ich gar nicht. Was Du da anführst über das Verhältnis von Ost- u. Westdeutschen, kann man so stehen lassen, aber Entsolidarisierung und Werteverfall haben aus meiner Sicht schon zu Beginn der 80er ihren Anfang genommen, und mein Eindruck ist, dass mit der Wende und dem damit einhergehenden Aus der linken Kulturen bei uns im Westen diese grauenhafte Verflachung im kulturellen Bereich ihren Siegeszug antrat, die wir jetzt mit Reißbrettstars wie Helene Fischer auf dem Gipfel erleben. So ein Unikum wie Harry Rowohlt war schon vor zehn Jahren ein Alien in der heutigen Szene, und vor ihm Gegangenen wie Hildebrandt oder Hüsch waren ihre Basen, wenngleich sie noch auftraten und sich zu Wort meldeten bis zuletzt, längst abhanden gekommen. Von der Arbeit der Künstler der ehem. DDR will ich gar nicht reden. Mein Eindruck ist, die ist mit dem Vakuum verpufft, das zwischen dem Dies- und Jenseits der Mauer war.
  • Makarena 17/06/2015 1:55

    Ein sehr guter Text. Leider ist der Flash Player abgestürzt.
    LG Margit
  • karlitto 17/06/2015 0:40

    Etliche Schriftsteller und Genies hatten Alkohol als Unterstützung, auch wenn es keine Lösung, sondern ein Destillat ist.
    Gruss
  • Andreas E.S. 16/06/2015 23:07

    Da hast du wieder einen aktuellen Anlass meisterhaft aufgearbeitet. Es ist ja toll, dass du ihm begegnet bist. Das war ein Mensch, der seiner Überzeugung nach lebte. Das muß man bewundern. Danke für deinen schönen Nachruf.
    LG Andreas
  • SUZIKJU 16/06/2015 22:50

    Wir leben gerade in einer Zeit, in der viele große Lebensläufe dem Ende zugehen - in allen kulturellen Bereichen. Da wächst kaum etwas nach und gerade deshalb glaube ich an den geistigen Verfall der Gesellschaft in näherer Zukunft. Schon die Anzahl der Menschen, die nicht lesen und schreiben können ist doch erschreckend (nur ein Beispiel!). Wir müßten uns wieder einmal an WERTEN orientieren und zwar zu Hause, im Kindergarten, in der Schule, in der Ausbildung usw.

    Du hast eine gute Erinnerung mit dieser Widmung. Hoffen wir, dass am Himmel ein neuer Stern aufgegangen ist.

    Lieben Gruß aus Thüringen von Regina
  • smokeonthewater 16/06/2015 22:49

    @Jens: 1990, das klingt so, als wäre die Wiedervereinigung schuld. Als gebürtiger Ossi empfinde ich das ganz anders. Wende und Wiedervereinigung waren auch ein intellektueller Schub für Deutschland, wenn man bedenkt, das sich erst da viele Menschen einschließlich Künstler freier denn je artikulieren konnten. Außer Gysi ist nicht viel davon übrig geblieben, viele sind inzwischen auch tot. Das kulturelle Vermächtnis wird eigentlich eher als "Ostalgie" im Osten Deutschlands hochgehalten, da im spießigen Westen vielfach noch das Desinteresse an den neuen Bundesländern dominiert.
    Als Zeitenwende empfinde ich die fortschreitende Entsolidarisierung der Gesellschaft vor allem nach der Finanzkrise 2008. Danach hat ein Werteverfall eingesetzt, der für mich als Freiberufler existenzbedrohend ist. Die digitale Revolution hat überhaupt keinen Einfluss, sie ist wie jede Technologie oder jedes Medium nur Mittel zum Zweck für die Mächtigen. Sie beschleunigt die Prozesse, aber sie prägt nicht ihr verdorbenes Wesen.
  • heide09 16/06/2015 22:45

    Sehr bedauerlich sein Ableben.
    Hätte ihn auch gern mal in Natura erlebt.
    Solche Menschen sind mir die Liebsten.
    Viele Grüße
    Ania
  • gelbhaarduisburg 16/06/2015 22:31

    Nein, solche Menschen wachsen nicht nach. Oder nur im Allerverborgensten. Und ihr könnt mich für diese Einschätzung einen Idioten nennen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass mit dem Jahr 1990 die Misere begann. Die immer weiter fortschreitende Verflachung ist m.E. nach eine Folge der Zeitenwende. Die digitale Revolution kam noch dazu - das war´s.
  • smokeonthewater 16/06/2015 22:31

    @Jens: Ich hab's als Lektor in Französisch und in einem Dutzend Mundartversionen gelesen, ich kann's fast auswendig. Aber mir gefällt's immer noch.

    Rilke und Hesse ... das waren Leute, die so ganz in ihrer Kunst aufgegangen sind, dass sie nicht in der Lage waren, ohne Mäzen zu überleben. Man spürt die fehlende Lebenserfahrung in ihren Werken, sie sind mit sich und ihrer Philosophie beschäftigt. Rilke immerhin hat sehr schöne Poesie geschaffen (bei Deinen Bildern hätte ich da mehr Affinität erwartet), während Hesse nur schwere Kost ist. Erschwerend kommt hinzu, dass er Bandwurmsätze wie Thomas Mann baute. Trotzdem geht er mit der Sprache genial um; allein um das zu genießen, genügt es, ein paar Kapitel im "Glasperlenspiel" zu lesen, nur der Sprache wegen.

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