Normal kann schließlich jeder...
Seit einigen Monaten kann man auf der Nord-Süd-Strecke Güterzüge beobachten, welche hier bislang nicht anzutreffen waren: Durch Änderungen der Lieferverträge der Linzer Voestalpine wird Eisenerz nicht mehr nur in Rotterdam, sondern auch in Hamburg angelandet. Während das Erz aus Rotterdam dann in der Regel mit dem Binnenschiff bis Moers gebracht und dort auf die Bahn verladen wird rollen die Transporte ab Hamburg direkt auf der Schiene weiter.
Die bis zu knapp 3700 Tonnen schweren Züge (Wagenzuglast) fahren bis Lehrte mit einer Doppeltraktion der Baureihe 185. Hier setzt dann die vordere Lok ans Zugende um und schiebt diesen über die Mittelgebirgsstrecken über Altenbeken, Bebra und Gemünden bis Regensburg, wo die Schiebelok wieder "nach vorne" kommt und es als Doppeltraktion weiter nach Linz geht.
Im Rahmen einer Sonderschicht für die Dienststelle Kassel sollte ich eigentlich die Schiebelok eines solchen Zuges besetzen. Beim Dienstbeginn in Bebra ergab es sich, dass ein noch relativ neuer Kollege bei mir zur Streckenkunde mitkommen wollte. Auf dem Weg nach Kassel unterhielten wir uns ein wenig, wobei sich rausstellte, dass er den kompletten "Prozess" des Nachschieben (Lok vorbereiten, nachschieben, Lok abkuppeln und Zugschluss am weiterfahrenden Zug herstellen, ...) schon einmal bei einem anderen Kollegen mitgemacht hatte. Daher wäre die Mitfahrt bei mir vergleichsweise langweilig, so dass ich ihm vorschlug auf der Zuglok mitzufahren, was er noch nicht mitgemacht hatte. In Kassel angekommen ergab es sich, dass wir den Kollegen der Zuglok trafen und er daraufhin anbot, dass er die Schiebelok besetzen könne und wir beide nach vorn gehen könnten.
Dies kam mir persönlich ziemlich entgegen, denn in meiner Frankfurter Zeit waren die "Jumbos" immer etwas Besonderes gewesen. Besonders dann, wenn man mit zwei Loks der Baureihe 151 von Laufach nach Heigenbrücken nachgeschoben wurde...
Mit dem inklusive Loks 3729 Tonnen schweren Zug kamen wir allerdings bei denkbar ungünstigen Verhältnissen in Neuhof, wo die obige Aufnahme entstand, zum Halten: Wegen einer außerplanmäßigen Langsamfahrstelle im Bereich Schlüchtern ging es bei den Richtung Frankfurt fahrenden Zügen etwas "drunter und drüber", so dass wir aufgrund der hoch ausgelasteten Strecke zum Halten kamen. Im den Haftwert zwischen Rad und Schiene erheblich reduzierenden Nieselregen mussten wir also mit den beiden 185ern den schweren Zug wieder "auf Touren" bringen und bis zum Brechpunkt zwischen Flieden und Elm "hochwuchten". Zugegebenermaßen eine willkommene Abwechselung und Herausforderung. :-)
Aufnahmedatum: Mittwoch, 8. Mai 2019 - 12:55 Uhr
makna 28/06/2019 16:21
Deine Schilderung ist außerordentlich interessant: Lehrte - Regensburg als "Sandwich" !!!Über diese weite Strecke in dieser Konstellation: Beeindruckend !!!
Das Anfahren in Neuhof (Kreis Fulda) bei Niselregen und dann
die Fahrt über die Rhön war sicher kein Zuckerschlecken -
das hast Du anschaulich bildlich dargestellt !
BG Manfred
Sigbert der Eisenharte 27/06/2019 20:43
Ja, auch modernste Regeltechnik kann halt nicht immer einen Wechselstrom-6-Achser ersetzten..War sehr schön, Deine ausführlichen Beschreibungen zu lesen!
VG Dirk