Störungen haben manchmal auch ihr Gutes...
An einem Sonntag im September löste ich in Bebra einen Containerzug zur Fahrt nach Maschen ab. Ungefähr auf der Höhe von Nordstemmen unterrichtete mich der Lokdienst Hannover dann darüber, dass er in Lehrte einen Zug zurück in Richtung Bebra ungeregelt habe und gleichzeitig ein Kollege aus Lehrte Dienstbeginn habe, welcher Gastfahrt nach Maschen zu fahren habe um dort einen Zug zu holen. So kam es, dass wir außerplanmäßig in Lehrte ablösten und ich nach einer kurzen Mittagspause mit meinem "neuen" Zug zurück nach Bebra fuhr.
So traf ich einige Stunden vor dem geplanten Feierabend wieder in Bebra ein und erkundigte mich beim Lokdienst Frankfurt ob er noch Verwendung für mich hätte. Entgegen der ersten Vermutung (Sonntags ist ja normalerweise nicht so viel los im Güterverkehr) wurde ich gefragt ob ich noch einen Zug nach Kassel bringen könnte: Dieser hatte zuvor aufgrund von Problemen an der Ladung nördlich von Fulda im Betriebsbahnhof Marbach gestanden, so dass der aktuell diesen Zug fahrende Lokführer diesen nicht mehr bis Kassel durchfahren könne.
In der Umspanngruppe des Rangierbahnhof Bebra fuhr dann die 152 071-7 mit dem Sonderzug GA 62440 Nürnberg Rbf - Osnabrück Rbf ein und der anbringende Kollege erklärte mir, was die Ursache für die Verspätung war: Am zweiten Wagen hatte sich bei einem Pkw auf dem Oberdeck die Schutzfolie bzw. -tasche, welche den Lack des Fahrzeug vor Kratzern oder Schäden schützen soll durch den Fahrtwind gelockert und war teilweise zerrissen. Das Festbinden der Fetzen war jedoch nicht wirklich von Erfolg gekrönt, denn diese waren bereits bei der Einfahrt des Zuges im Wind deutlich zu sehen... Der bereits vorab verständigte Wagenmeister und ich "fackelten" nicht lange und entschieden uns dazu, den Wagen auszusetzen, im Bahnhof wollte man sich des Problem dann annehmen und in einem oberleitungsfreien Gleis die Transporthülle entfernen um den Wagen dann am folgenden Tag in Richtung Norden auf die weitere Reise zu schicken.
Also wurden die Lok mit den beiden Wagen abgehangen, der betreffende Wagen ausrangiert, die Lok mit dem ersten Wagen wieder an den Zug gesetzt, gekuppelt und eine Bremsprobe ausgeführt. Kurz nach Übergabe des neuen Bremszettel und der Eingabe der geänderten Zugdaten in die Zugsicherungssysteme der Lok meldete ich mich fahrbereit, erhielt jedoch vom Fahrdienstleiter die Information, dass es erst nach der cantus Richtung Kassel losgehen würde. So ergab sich die Gelegenheit für einige kurze Aufnahmen, welche so normalerweise nicht möglich sind, stehen die Züge doch sonst dichter an den jeweiligen Signalen. Durch das Aussetzen des einen Wagen hatte ich jedoch knapp 25 Meter "gewonnen" und der Blick wurde auf den bekannten Bebraer Wasserturm frei. :-) Kurze Zeit später zeigte das Signal Hp 2 "Langsamfahrt" und ich konnte den nun "nur noch" 634 Meter langen Zug abfahren.
Aufnahmedatum: Sonntag, 18. September 2016 - 17:58 Uhr
Thomas Reitzel 07/12/2016 12:23
Eine fesselnde Story aus dem Alltag der Lokführer, Disponenten, Fahrdienstleiter und Wagenmeister.In dieser Form wohl auch nur an Sonn- und Feiertagen zu erleben, geschweige denn bildlich festzuhalten; für einen Außenstehendn schon gar nicht.
Du verstehst es immer wieder, wie leider viel zu wenige User hier, zu deinen Bildern informative Geschichten zu erzählen, die den Leser in ihren Bann ziehen.
Danke dafür und bG,
Tom
makna 07/12/2016 10:05
Eine ganz besondere Fotogelegenheit sehr gut genutzt - hervorragend mit dem Wasserturm !!!Der ist wahrhaftig ein "Wahrzeichen" der Eisenbahnerstadt !
Und die 152 kommt aus dieser Perspektive sehr gut !
Interessant natürlich auch der Hintergrund, den Wagen mit der beschädigten Transportfolie
auszusetzen ... dass der (wahrscheinlich überseeische) Kunde des Automobils
davon je etwas mitbekommen wird, ist nicht anzunehmen -
muß ja auch nicht !
BG Manfred