Stuttgarter Hauptbahnhof bald ausrangiert? - EIN GROSSTADT-KRIMI!

Stuttgarter Hauptbahnhof bald ausrangiert? - EIN GROSSTADT-KRIMI!

Dieses alte Arbeitspferd der Bahn hat im Stuttgarter Kopfbahnhof nicht mehr viel zu tun. Denn seit gut anderthalb Jahrzehnten hat jeder Zug vom Regionalexpress bis zum ICE an beiden Enden einen Führerstand, sodass das ehedem zeitraubende Lokumspannen bzw. das einst den V60-Rangierlokomotiven übertragene Herausziehen abzustellender Züge aus den Kopfbahnhofgleisen meist entfällt. Das in Stuttgart seit je her kreuzungsfrei mögliche Verschieben ins nahegelegene Bahndepot mit seinen Reinigungs- und Wartungshallen übernehmen heute in der Mehrzahl der Fälle die Zuglokomotiven selbst.

Mit der flächendeckenden Einführung von Doppel-Führerstands-Zuggarnituren ist zugleich auch das wichtigste Argument gegen die einstmals zeitraubenden Kopfbahnhöfe hinfällig. Das scheint ausgerechnet in jener Stadt, in der die leistungsfähigste Gleisführung unter allen Großstadt-Kopfbahnhöfen realisiert wurde, noch nicht bis in die oberen Etagen des Rathauses vorgedrungen zu sein. Sonst würden sich der hiesige Bürgermeister und Gemeinderat vielleicht nicht so verbissen für die – obsoleten – Vorzüge eines Durchgangsbahnhofs verkämpfen.

Tatsächlich ist in dieser Stadt ein regelrechter „Kulturkampf“ um diese Frage entbrannt. So haben sich binnen 6 Wochen mehr als 61.000 Stuttgarter im Rahmen eines Bürgerbegehrens für den Beibehalt des 16-gleisigen Kopfbahnhofs ausgesprochen, der mit einem Drittel der für das Projekt „Stuttgart 21“ vorgesehenen Finanzmittel zu einem weit leistungsfähigeren Verkehrsknoten ausgebaut werden kann – integraler Taktverkehr eingeschlossen! – als der für alle Zeiten auf 8 Gleise beschränkte unterirdische Durchgangs- rspktv. Flaschenhals-Bahnhof.

Obwohl laut Kommunalverfassung nur 20.000 Stimmen für die Einleitung eines amtlichen Bürgerentscheids hätten beigebracht werden müssen, haben sich die vom Klang der Euro-Milliarden vollständig ertaubten Stadtoberen lieber noch eine zusätzliche Million selbst bewilligt, um die störrischen Stuttgarter Bürger per Hochglanzbroschüren und Anzeigenkampagnen besser über die noch immer nicht kapierten Vorzüge der schönen neuen unterirdischen Bahnhofswelt aufzuklären! Wen wundert es da unter solchen Umständen, dass seither im Stuttgarter Kessel mächtig Dampf herrscht?

Apropos "Dampf": Wer sich eine plastische Vorstellung davon machen möchte, was im Falle eines Zug-Brandes in einem unterirdischen Bahnhof los wäre, nehme sich ein paar Minuten Zeit für den Bericht der Offenbacher Feuerwehren, die einen in Brand geratenen ICE-Kopf zu löschen hatten; bei der Vorstellung läuft es einem heiß-kalt den Rücken hinunter:
http://www.feuerwehr-offenbach.de/fwo.php?p=0|&c=doku.ice.ice_1

Der Streit über die kommunalpolitische Zulässigkeit rspktv. Pflicht zu einer Anberaumung eines Bürgerentscheids ist noch lange nicht ausgestanden, geschweige denn entschieden. Als Antwort auf das feudalherrschaftliche Gebaren der Stuttgarter Ratsherren hat das umtriebige Bürgerbündnis gegen „Stuttgart 21“, das für einen modernisierten „Kopfbahnhof 21“ samt alternativer Anbindung an die Neubaustrecke Stuttgart-Ulm eintritt, Widerspruch beim Regierungspräsidium eingereicht. Sollte dieses wie zuvor schon die auf Biegen und Brechen zum Bahnhofsneubau entschlossene Gemeinderatsmehrheit die Frage der formaljuristischen Buchstabenkorrektheit des eingereichten Bürgerbegehrens neuerdings über den unmissverständlich dokumentierten Bürgerwillen zu einem Bürgerentscheid stellen, wird der Kampf um das bessere Bahnkonzept bis vor das Verwaltungsgericht getragen werden.

Wer sich eingehender über die zwei konkurrierenden Konzepte „S21“ und „K21“ informieren möchte, sei auf die nachfolgenden Links hingewiesen:

Die offizielle Seite der Projektbetreiber von „Stuttgart 21“:

http://www.das-neue-herz-europas.de/default.aspx

Die Web-Seiten der Projekt-Alternative „modernisierter Kopfbahnhof 21“:

http://www.kopfbahnhof-21.de/index.php?id=35
http://www.leben-in-stuttgart.de/s%2021%20kritik/behauptungen_und_luegen.htm

Noch immer mögen sich hierzulande viele unserer gewählten Abgeordneten nicht oder nur widerstrebend mit den in vielen Länder- und Kommunalverfassungen garantierten basisdemokratischen Mitbestimmungs-Instrumenten anfreunden. So derzeit in aller Öffentlichkeit zu besichtigen in Stuttgart, einer Großstadt, in deren Kommunalverfassung die direkte Demokratie keinesfalls nachrangig, sondern gleichberechtigt neben der bekannten parlamentarisch-repräsentativen Regierungsform verankert ist. Angesichts der völlig einseitigen Berufung unserer gewählten „Volksvertreter“ auf ihr parlamentarisches Recht zur Regentschaft, drängt sich zur Erklärung solch feudalen Verhaltens unwillkürlich eine Mahnung des zu Unrecht in Vergessenheit geratenen amerikanischen Wirtschaftsreformers Henry George auf, der seinen Lesern in seinem 1879 erschienenen Weltbestseller „Fortschritt und Armut“ die Augen öffnete:

„Nichts ist gefährlicher als 1 Million Dollar — mit Ausnahme von 2 Millionen Dollar!“

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Ach übrigens: Der Zahlenaufdruck auf dem Schaltkasten mit dem Hochspannungswarnschild, auf den die Lok und im übertragenen Sinne die Stadt zuzufahren droht, wurde in zwei Ziffern verändert, um das Symbol für den hiesigen Konfrontationskurs zwischen Stadtrat und Bürgerschaft perfekt zu machen...

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Weitere Aspekte des Großprojekts sind unter folgenden Bildern nachzulesen: