Tischlein deck dich . . . .
Knüppel aus dem Sack . . . .
Mein Blick fiel auf den „gedeckten“ Tisch. Die Speisen waren gegessen und die Getränke
getrunken. Von den Menschen, die an diesem Zaubertischlein gesessen hatten, fehlte je-
de Spur. Was war geschehen, fragte ich mich. Dabei hätten die beiden doch ein so wun-
derbares Leben führen können. Ein Tischlein, das zu jeder Zeit die ersehnte Speise fertig
bereitet auftischt. Ein Goldesel, der zu jeder Zeit soviel Goldtaler „scheissen“ konnte, das
selbst Olaf Scholz vor Neid platzen würde. Und der Knüppel, der allen Neidern mit der ver-
dienten Prügel das Fürchten lehren würde und auch konnte. All diese Wunderdinge waren
doch dazu bestimmt, Glück und Zufriedenheit seinen Eigentümern zu schenken, zumin-
dest den Weg zu ebnen. Das Tischlein stand im Raum, vom Esel und vom Knüppel fehlte
jede Spur. Im ganzen Gebäude hatte ich danach gesucht, aber nichts gefunden. Keine er-
kennbaren Spuren, weit und breit. Eigenartig, dachte ich. Vielleicht ist so ein sorgenfreies
SausundBraus-Leben ja doch nicht so gut, wie man es sonst so aus dem Märchen kennt.
Es soll ja Leute geben, die soviel Geld haben, das sie sich die Zigarre mit einem 1.000,-
Euro-Schein anzünden. Vielleicht hatten sie das gute Essen satt ? Die Schränke voller mo-
discher Schuhe und Klamotten ? Zig Autos in ihren Garagen ? Vielleicht waren sie über-
sättigt und hatten plötzlich Lust auf zähes Eselsfleisch ? Was sollten sie denn noch mit
dem Esel ? Sie waren steinreich; in einem Raum das pure Gold bis unter die Decke ge-
stapelt ? Was braucht man da noch einen Esel. Dann der Streit darüber, wer das beste
Stück Fleisch vom mittlerweile gegrillten und gebackenen Esel bekommen soll. Rotwein
und Schnaps waren schon reichlich getrunken. Der Streit eskaliert und einer der beiden
ruft: Knüppel aus dem Sack und im nu fährt der Knüppel aus dem Sack und posiert sich
demonstrativ zwischen die beiden. Wem soll er dienen ? Diente er bisher doch beiden.
Schlag zu, bellt es von links. Schlag zu, bellt es von rechts. Der Knüppel kommt ins Grü-
beln. Hatte er doch wahrgenommen, wie beide den Esel, seinen alten Freund, geschlach-
tet hatten. Er spürte, das seine beiden Besitzer diese höheren Geschenke, die ihnen einst
zu teil wurden, nicht wirklich schätzen und nutzen konnten. Sie hätten damit ja auch den
armen Menschen helfen können, um einer aktzeptablen Lebensführung wegen. Nichts da.
Stattdessen hatten sie raffgierig ihr Leben gelebt und sich beide dabei überlebt. So ist es
wohl, wenn es Menschen zu gut geht und sie dadurch in Dekadenz verfallen, weil sie das
rechte Maß nicht mehr erkennen und beachten, dachte sich der Knüppel. „Gut“, sprach er
zu den beiden. „Ich werde euch ein letztes mal helfen euer Problem zu lösen. Auch um
des lieben Friedens willen.“ Sprachs und prügelte beide aus dem Haus hinaus, in den tie-
fen Wald, über die Landesgrenze hinweg nach Polen und weiter und weiter. Irgendwo vor
oder hinter dem Ural soll sie ein hungriger Bär gefressen haben. Aber das könnte auch ein
Gerücht, gar ein Märchen sein. Vom Knüppel hat man niemehr was gehört und der Tisch,
der Tisch hatte im Laufe der Zeit seine Zauberkräfte vergessen. Denn auch ein alter Tisch
wird im Alter dement und vergisst, woher er kam und wofür er bestimmt war. Menschlich !
Conny11 13/02/2023 15:34
Ein letztes Mal noch.... eine Art Henkersmahlzeit für diese Location..ein tolles Stillleben ..
LG zu dir, Conny
JEAN72 22/05/2022 11:38
Wow, das passt sehr gut! Tischlein deck dich. Wie in einem Traum. Wobei es immer interessant ist, wer schon alles an einem Tisch gesessen hat? Schön! LG JeanHansi Rödig 22/05/2022 11:24
Große Stimmung, allerdings nicht zum Aufräumen.Grüße
Hansi Rödig
13. Fee 22/10/2021 20:19
Moin Herrn v. G.,Ihre Zeit-Geschichten und Dokumentationen vermisste ich auf meiner kleinen Reise.Oft dachte ich an Ihre Zeitreisen...diese sind und waren mir stets erinnerlich.
in diesem Sinne
GlückAuf und Ahoi
Jadugaar 25/09/2021 16:52
Ein Knüppel als Philosoph und Richter, für manche die letzte Möglichkeit, noch etwas Mitmenschliches aus ihrem Leben zu machen!Deine Erzählungen: Immer wieder nachdenkliche Freude gewürzt mit Humor!
Abendliche Grüße
Jadugaar
-ansichtssache- 04/09/2021 21:46
Eine großartige Parabel zu einem fantastischen Foto. Erzählkunst trifft auf Fotokunst.Einfach wunderbar. Du solltest dein angedachtes Buchprojekt unbedingt umsetzen........oder bist du vielleicht schon dabei??
Begeisterte Grüße, Danny
HJ.B. 04/09/2021 17:08
Was nützt aller Reichtum dieser Welt, wenn man aus dem Radio, Fernseher und aus der Zeitung erfährt, dass wieder ein verlogener, raffgieriger und dummer Politiker, Politikerin, die Wahl gewonnen hat.Die Flucht in den Urwald zu den bösen Tieren erscheint als Happy End.
Eine ganz andere, aber wahre Geschichte.
Herzliche Grüße
Hans Jürgen.
peju 04/09/2021 15:41
Das Bild wirkt beinahe wie gemalt. Der Text?Die Gebrüder Grimm wären sicher vor Neid erblasst.
Wobei... die Geschichte mit dem Goldesel könnte wahr werden...diskutiert man doch über ein besinnungsloses Grundeinkommen...oder hat es versuchsweise schon eingerichtet.
Ein alter Traum. Immer die Taschen voller Geld.
Märchenhaft!
Gruß
Peter
Wilhelma 03/09/2021 17:19
Sowohl Foto als auch Text : Brillant !!!! Über so etwas kann ich mich die ganze nächste Woche freuen . Ich betreue gerade meine Mutter nach einer OP , die wird bestimmt auch eine Freude daran haben .Magic Micha 03/09/2021 16:52
Klasse in Szene gesetzt!Grüße Micha
E. W. R. 03/09/2021 15:22
Die morbide Szene hast Du jedenfalls sehr ästhetisch in dieselbe gesetzt. Was das schlimme Märchen über die Dekadenz aussagt, entspricht wohl der Wirklichkeit. Gut, dass man allenthalben Leute trifft, die ihr Leben vernünftig leben und beruflich einen guten und verantwortungsvollen Job machen. HG, E.