... dying ...
Deryll sackt immer mehr in seine eigene Gedankenwelt. Er ist längst nicht mehr in diesem kleinen Zimmer, er ist bei einer verlorenen Familie, einem längst verdrängen Leben mit einem Job und wahrscheinlich erlebt er gerade noch einmal die schönsten Partys seiner Jugend .... Guerdo verschwindet nach draußen und geht seinen Geschäften nach ...
„Ein Freund sagte einmal ... und er hatte Recht ... (Pause) ... er hatte wirklich Recht ...“ Je mehr Zeit vergeht, desto undeutlicher spricht Deryll ...
Wieder eine lange Pause ...
„Manchmal habe ich diese Schübe .... dann geht es mir so dreckig ... es gibt keine Medizin dafür ... ich sterbe, Dirk, langsam .... ich sterbe. Keine Heilung ...!“
Schweiß steht auf seiner Stirn ... er wischt ihn sich mit einem kleinen Handtuch ab. Das Geräusch des Auslösers meiner Kamera zerreißt die Stille. Was mir vorkommt wie ein Gewehrschuß direkt neben meinem Ohr, scheint Deryll überhaupt nicht wahr zu nehmen.
Ab und an stöhnt er auf ... brummt vor sich hin .... bis er sich noch einmal aufrafft:
„Kannst Du mir mit Geld aushelfen? Ich habe keins, sonst würde ich Dich nicht fragen ... Ich habe so lange mit Dir zusammengesessen, Du hast Deine Bilder gemacht und ich habe Dir alles erzählt ... Verstehst Du ... ich habe in der Zeit nichts verdient ...“
Sein Ton wird ein wenig härter und bestimmter!
Diese Situation kommt für mich nicht ganz überraschend, auch wenn ich gehofft hatte, ihr entgehen zu können. Kann ich aber nicht ... Ich bin ein wenig betroffen, kann erst Tage später realisieren warum: Während das ganze Gespräch bisher in einem freundschaftlichen Rahmen ablief, bekommt es jetzt einen „wirtschaftlichen“ Charakter. Im Laufe des Vormittags hatte er mir davon erzählt, dass er einmal ein Angebot eines lokalen Fernsehsenders abgelehnt hatte, der ihm für ein ähnliches Interview wie das mit mir geführte 100$ geboten hatte. In diesem Moment war ich sehr beeindruckt und hatte ihm seine Gastfreundschaft umso höher angerechnet.
Jetzt sitzen wir uns gegenüber und ich fühle mich nicht mehr als „Freund“, sondern als „Geldquelle“ ... eine unangenehme Situation. Ich mache ihm klar, dass ich denke seine Zeit mehr als gut honoriert zu haben und dass ich kein weiteres Geld bei mir habe.
Der Raum wird klein und kalt ... Ich erkenne, dass ein weiteres Gespräch unter diesen Umständen nicht möglich ist, räume mein Zeug zusammen und verabschiede mich von Mike, der nach wie vor teilnahmslos im Nebenzimmer liegt.
Ich gehe zurück, versuche Deryll noch einmal in die Augen zu sehen, aber er ist wieder weit weg und atmet schwer vor sich hin. Als ich mich verabschiede brummt er Unverständliches vor sich hin, hebt aber nicht den Kopf ...
Hinter mir fällt die Tür ins Schloß ... diesmal wird sie nicht sofort verriegelt ...
Es bleibt still dahinter ...
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ENDE ... ???
Ich habe diesen Ort mit gemischten Gefühlen verlassen. Einerseits bin ich keinerlei Verpflichtung eingegangen, andererseits kam ich mir trotzdem ich ihm seinen „Verdienstausfall“ kompensiert hatte nicht besonders gut vor.
In den vergangenen 2,5 Stunden hatte ich einen Menschen mit allen Höhen und Tiefen erlebt, das komplette Spektrum seiner Gefühle gespürt. Ein paar Tage lang habe auch ich bei jedem Gedanken an ihn eine gewisse Leere gespürt – Zweifel am eigenen Verhalten, Zweifel an seinem Verhalten, nie aber Zorn oder Wut.
Vielmehr war ich innerlich eigentlich enttäuscht, obwohl ich das Ende des Gesprächs ja in ähnlicher Weise zumindest angedacht hatte.
Was bleibt an Erkenntnissen? Wollen wir Klischees bemühen und sagen: „Sie sind alle so – man hätte es voraussehen können!“?
Ich weigere mich dagegen ...
Unsere nächste Begegnung wird es zeigen ...
Erstes Bild der Serie:
Pawel Strzyzewski 15/11/2003 12:43
du erzählst sehr lebendig und spannend - sowohl in worten, wie auch in bildern.danke, dass ich beim deinem treffen mit deryll dabei sein durfte :)
gruß,
pawel
Manu K. 01/11/2003 14:48
*uuufff* ... mit der Geschichte.Ich bin beeindruckt!!
Dirk Hofmann 30/10/2003 21:28
guten abend ... :-))zunächst noch einmal meinen herzlichen dank an maxx für den vorschlag und ebenso an alle voter.
hast recht maxx ... darum ging es nicht ... :-) und das ergebnis ist absolut zweitrangig!!!
peter: gut beobachtet ... zumindest der erste, der es ausspricht ... bei all meinen bildern geht es darum, was ich (!) erlebe ... sie sind nicht für die fc, sie sind nicht als anklageschrift gegen ein system oder als situationsreportage einer randgruppe zu verstehen: sie erzählen einfach nur von meinen erfahrungen mit den menschen hier. nicht mehr und nicht weniger ... am ehesten vielleicht vergleichbar mit einem offenen tagebuch ...
in der regel lasse ich die menschen erzählen, lenke das gespräch nur selten in eine richtung - und wenn, dann nur weil es mich persönlich interessiert und nicht um einen unterpunkt eines interviewplans abzuhaken ...
die einzigen gefühle, die ich beschreibe sind meine eigenen ... angereichert mit den von mir interpretierten wahrnehmungen meines gegenübers ...
es gibt also auch keine "moral von der geschicht ...", weil ich mit einer einzelperson rede und nicht "den fixern aus texas" ... in vielen meiner gespräche erwähnt man mir gegenüber dankbarkeit darüber, daß ich zwar dinge zur kenntnis nehme, aber nicht (vor-)verurteile ... und das möchte ich einfach so beibehalten ...
das von marie angesprochene wechselspiel hat mich an der ganzen serie ebenfalls fasziniert - ich habe eine ganze facette von gefühlszuständen erlebt ... das problem ist die die beschreibung von gesehenen und gefühlten eindrücken .... sehr schwierig ....
ich habe das ca 2-3 stunden dauernde gespräch fast vollständig auf minidisc mitgeschnitten ... jedesmal wenn ich die bänder höre, werde ich selbst in diese gefühlswelt zurückversetzt .... ich sitze zu hause und lächle mit deryll, schweige mit ihm in gedanken an seine familie und male mir seine worte hörend die wildesten drogenpartys der 60er jahre aus ... und jedesmal fühle ich mich aufs neue sehr berührt ...
es freut mich, daß es mir hier und da gelungen ist, diese faszination weiterzugeben ...
gruß
dirk
Der Roman 30/10/2003 15:40
In der TatBeate Kr 30/10/2003 15:39
@R.M. StrickerGar nichts. Aber wenn ich eine Anmerkung zu einer Aufnahme mache, dann stelle ich meistens auch eine Verknüpfung zu meinen Bildern.
Ok, hätte ich mir hier vielleicht verkneifen sollen, da die Geschichte nicht gerade glücklich ist.
LG Beate
Der Roman 30/10/2003 14:47
Sag Beate,was hat denn das von Dir gepostete Foto mit dem ganzen zu tun???
Beate Kr 30/10/2003 14:33
Ich war ganz gefesselt von der Geschichte, die hinter den Aufnahmen steckt.Allerdings finde ich "... and I´m on heroin ..." von der Reihe am "schönsten"!
LG Beate
Der Roman 30/10/2003 13:31
Anders geht es imho auch nicht.Marie Meyer 30/10/2003 13:25
ja und??????? eben....selbst wenn es so wäre???? Wieso soll es u.a. nicht um die erfahrung gehen, die der fotograf selbst mit der situation macht????? Ähhhh...das kapier ich nicht.Ich finde es ist genau das salz in der suppe, daß hier die eigene betroffenheit, die eigenen unsicherheiten, die gefühle mit einbezogen werden. Und es geht ja nicht um sie allein, sondern um das ganze in seinem wechselspiel.
Wenn dann doch die worte, die beschreiben, in solch sensibler form gewählt werden, ist es einfach ein erstaunliches gesamtwerk, das eindringlich und berührend ist.
Leider zu spät gesehen...sonst hättest du ein pro mehr gehabt, dirk ;-)
grüße von marie
Der Roman 30/10/2003 12:28
Und wenn´s so wäre?Peter Jürgens 30/10/2003 10:45
und meine moral von der geschicht,traue den fixern lieber nicht.
sie wollen doch nur dein geld,
denn heroin ist das einzige, was zählt.
sie gaukeln freundschaft dir vor,
ach du armer tor.
sorry, aber ich habe mich bei der ganzen serie gefragt, ob es um eine reportage über einen heroinabhängigen in texas geht oder um die persönliche erfahrung, die ein fotograf mit diesem gemacht hat.
gruß
peter
Der Roman 30/10/2003 9:10
Das Ergebnis ist gut, spiegelt es ja so einiges hier in der fc wieder.In meiner Galerie ist die Serie auf jeden Fall.
LG
Sylvia Mancini 30/10/2003 8:59 Commento di voto
+O. B. 30/10/2003 8:59 Commento di voto
+Rainer Titan 30/10/2003 8:59 Commento di voto
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