Blende acht, die Sonne lacht
alles analog
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(1984) Von dem Rastplatz aus hatte man einen herrlichen Ausblick auf ein weit sich ausdehnendes Tal, einen überaus friedlich wirkenden Ort. Weiden, auf denen zwischen Lamas, Alpakas und Schafen vermutlich Landarbeiter sich bewegten, erstreckten sich auf dem Talgrund so weit das Auge schauen konnte. An den Rändern im Norden, wo das Land sanft nach oben sich wölbte, waren zwischen grün und braun changierenden, umbrafarbenen Ackerflächen gelbe Getreidefelder eingewoben. Ein Eukalyptuswald, der in östliche Richtung sich erstreckte, bildete eine Art natürlicher Begrenzung im Süden. Und inmitten dieser Herrlichkeit fanden sich die zu einem Quadrat geordneten Wirtschafts- und Wohngebäude einer auch aus der Ferne beeindruckenden Hazienda, in deren Mitte ein Innenhof eingebettet lag, auf dem Richard neben zahlreichen angebundenen Pferden auch parkende Geländewagen vor einem umlaufenden Arkadengang zu erkennen glaubte.
An Brigitte gerichtet, die neben ihm mit einer Cola in der Hand ebenfalls den Blick und die Ruhe zu genießen schien, suchte er unter dem Eindruck dessen, was er sah, noch einmal das Gespräch des vergangenen Abends aufzunehmen.
»Liegt die Ursache all dieser Gewalt, von der du gestern sprachst, nicht eigentlich hier begründet, in diesem Wohlstand, in dem hier einige Wenige leben, während zwanzig Kilometer weiter und tausend Meter höher die Familien der hart arbeitenden Indios gerade so über die Runden kommen? Und wie es den Campesinos, die für den Besitzer da unten arbeiten müssen, ergeht, wissen wir nicht. Sind nicht diese in Perú so offen zu Tage tretenden Ungerechtigkeiten die Ursache für die Gewalt? Und ist nicht die Regierung, die diese Ungerechtigkeiten zulässt, auch verantwortlich für die gewaltsam sich äußernde Form des Widerstands? Geht die Gewalt nicht in Wirklichkeit von diesen Feudalherren da unten aus?«
»So haben wir gelernt zu denken. Und ich will dir auch nicht generell widersprechen. Im Ansatz klingt das plausibel, was du sagst. Aber nehmen wir mal an, die Terroristen würden diese Hazienda, auf die wir gerade schauen, niederbrennen, was würde das an der bestehenden Ungleichheit ändern? Sie würde womöglich noch größer. – Und ist diese Ungleichheit gleichbedeutend mit Ungerechtigkeit? Dazu gibt es doch keine verlässliche Antwort. Vielleicht musste der Großgrundbesitzer hart arbeiten, damit die Besitzlosen ihm nun mit Neid begegnen können. Wir wissen das nicht. Gerechtigkeit! – Was ist das.? – Ein leerer Wahn ist das. Und ist die Ungleichheit bei uns in Deutschland nicht sehr viel größer? Wir sehen sie nur nicht so deutlich wie hier.«
»Aber auch die ärmeren Menschen haben doch bei uns in aller Regel eine Wohnung, sie haben genug zu essen, sie können zur Schule gehen, sie werden im Krankheitsfall versorgt ...«
»Das ist bei uns doch nicht deshalb so, weil eine Guerilla Bomben gelegt oder Menschen ermordet hat«, fiel Brigitte ihm ins Wort. »Es ist nicht das Bedürfnis, eine gerechtere Welt – was immer das sein sollte – zu schaffen, das Menschen zu Mördern oder Brandstiftern werden lässt. – Ihr habt vielleicht auch in der Schule Michael Kohlhaas von Kleist gelesen. Wenn nicht, musst du es nachholen. Dort findest du Antworten. – Ich suche schon lange Antworten. Nur in einem bin ich mir mittlerweile ganz sicher, es geht Kohlhaas und Stalin und Mao und Guzmán letztlich nur um ihr Ego, nicht um eine bessere Welt. Für ihr Ego möchten sie die alte, ungerechte Welt niederbrennen, um auf den Trümmern selbstgerecht vor dem Auge dieser Welt eine Havanna rauchen zu können. – Du hast doch auch ’ne Leica, hab’ ich gesehen. – Kohlhaas besaß im Unterschied zu unzähligen Monstern aus dem richtigen Leben immerhin Größe.«
»Was meinst du damit, dass ich auch ‘ne Leica habe?« »Vergiss es!« lachte sie. »Der Busfahrer hupt. Er will weiter.«
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Norbert Borowy 30/06/2023 15:59
der Lauf der Dinge und MenschenThomas Tilker 30/06/2023 8:36
Ein weiteres Häppchen, welches die Spannung erhöht...beim Foto muss ich fast an Werner Bischof denken...LG Thom
Hans Jürgen Schmidtjever 29/06/2023 19:54
Deine Landschaftsschilderung ist geradezu altmeisterlich gelungen.Der Meinungsaustausch : gedanklich ausgewogen und bildgesättigtAlfons, ich gratuliere!
Gruß von Hans Jürgen
Skat 29/06/2023 16:20
Interessant, Du kannst nicht nur Fotos aber auch das Zeug zum schreiben...Gruß Skat
Mario Fox 29/06/2023 16:19
Dein Bild hat Witz: Mal anders als sonst aufgereiht: Diesmal die Kleinen zuerst ;.)Zum Text: Schön geschrieben, aber: Liegt hier nicht eine Verwechslung oder unzulässige Gleichsetzung von Zielkonflikt mit Strategiekonflikt vor?
Guess whA 29/06/2023 16:16
Super!Bin direkt mittendrin und folge der philosophischen Diskussion mit Spannung.
Artur Feller 29/06/2023 15:33
Artur lacht - vor acht!Sehr schön aufgereiht die vier im Bilde.
Grüße
Artur