Flachland-Tiroler

Flachland-Tiroler

Kaum zu glauben, aber mit dieser Bezeichnung dürfte recht gut der Triebwagen 4 der Norddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft Niebüll (kurz: neg Niebüll mbH) beschrieben sein.

Die Strecke von Niebüll nach Dagebüll Mole ist eine der letzten, wenn nicht sogar die letzte Strecke im deutschen Eisenbahnnetz wo auch heute noch der sogenannte Kurswagen-Verkehr praktiziert wird: Einzelne Wagen eines InterCity der Deutschen Bahn (in der Regel nach Westerland auf Sylt) werden im Bahnhof Niebüll vom übrigen Zugverband getrennt und fahren unter Regie der kleinen Privatbahn die etwa 15 Kilometer bis zum Fähranleger in Dagebüll. Die Reisenden, meist mit Ziel Föhr oder Amrum, brauchen dann nur die wenigen Meter bis zum Schiff laufen, wo dann meist kurz nach Ablegen vom Festland sich unweigerlich Urlaubsgefühl einstellt (so ging es zumindest mir bei den zahlreichen Reisen nach Föhr).

Der Vorteil des Kurswagen-Verkehr liegt auf der Hand: Es entfällt ein Umsteigevorgang in Niebüll zwischen dem "Staats-" und dem "Privatbahnhof". Das Kurswagen-Prinzip ist dabei fast so alt wie die Eisenbahn selbst, wurde jedoch in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten im Fernverkehr immer weiter zurückgefahren. In den letzten Jahren kann man jedoch etwas Ähnliches zumindest im Nahverkehr beobachten: Während am Startbahnhof (meist ein regionales Oberzentrum oder eine Metropole) ein Zug aus zwei, manchmal sogar drei oder noch mehr Triebwagen besteht wird der Zugverband auf einem Unterwegsbahnhof an dem sich die Strecke verzweigt geteilt. Umgekehrt funktioniert das natürlich ebenso, in dem man die Triebwagen auf dem Weg Richtung Großstadt zu einem längeren Zug wieder zusammenkuppelt. Bestes Beispiel hierfür sind die Züge der Bayrischen Oberlandbahn ab München, welche sich unterwegs zu den Endbahnhöfen Bayrischzell, Tegernsee und Lenggries auffächern.

Zurück zum Protagonisten der Überschrift: Die frühere Nordfriesische Verkehrsbetriebe Aktiengesellschaft (NVAG) suchte zu Beginn der 1990er Jahre händeringend nach einem Ersatz für einen ihrer alten Schlepptriebwagen, mit welchem die Beförderung von Reisezug- und Güterwagen möglich sein sollte. Die durch die deutsche Bahnindustrie angebotenen Fahrzeuge eigneten sich jedoch nicht für die Mitführung von bis zu fünf weiteren nicht angetriebenen Reisezugwagen, außerdem verfügte keiner der am Markt verfügbaren Triebwagen über die Möglichkeit die angehängten Wagen mit elektrischer Energie zu versorgen.

Die Jenbacher Werke AG hatte in den 1980er Jahren insgesamt 100 einteilige Triebwagen des Typ 5047 sowie zehn Doppeltriebwagen als Typ 5147 an die Österreichischen Bundesbahnen geliefert. Weitere Triebwagen gelangten zu einer Privatbahn in Österreich und Ungarn.

Die Tiroler Fahrzeugschmiede ging auf die Wünsche des norddeutschen Kunden ein und erfüllte die an sie herangetragenen Wünsche: Neben einem kleinen 1.-Klasse-Abteil in der Fahrzeugmitte verfügt der Triebwagen auch über einen Generator zur Energieversorgung angehängter Reisezugwagen, welcher über einen eigenen 40 kW starken Dieselmotor verfügt. Die besondere Entwicklungsgeschichte und die Tatsache, dass es nur einen Triebwagen dieser Art in Deutschland gibt macht ihn bei Eisenbahnfreunden zu einem beliebten Fotomotiv.

Am Samstagnachmittag des 9. August 2008 steht der Triebwagen T4 mit zwei neg-eigenen Reisezugwagen (der hintere ist übrigens der seinerzeit im AW Wittenberge erste mit diesem Kopfende hergestellte "Wittenberger Steuerwagen") und zwei Kurswagen der DB (Übergang in Niebüll auf IC 2075 nach Berlin Südkreuz) am kleinen Bahnsteig von Dagebüll Mole bereit. Während die letzten Reisenden zum Zug laufen legt im Hintergrund das Fährschiff "Uthlande" der Wyker Dampfschiff Reederei (WDR) mit Kurs Amrum ab.

Verwendete Kamera: Nikon D80

Eine weitere friesische Besonderheit