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Reichsbahnausbesserungswerk XI

Reichsbahnausbesserungswerk XI

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Reichsbahnausbesserungswerk XI

Wie schon beim letzten Bild erwähnt, habe ich keine Fotos vom Abheben des Kessels, da ich zu dem Zeitpunkt im Urlaub war. Hier geht es jetzt nach der Demontage des Kessels weiter mit der Dokumentation über die betriebsfähige Aufarbeitung einer Dampflokomotive.

Der Kessel ist gewissermaßen der Magen einer Dampflok. Der muß einiges verdauen, um damit dann Kraft zu erzeugen. Was Wunder also, wenn man diesem Teil auch einiges an Pflege zu kommen lassen muß. Nach der Demontage wird ein Kessel im Regelfall auf einen fahrbaren Untersatz gesetzt, damit er an die verschiedenen Stationen seiner Bearbeitung gefahren werden kann. Bei uns war es nicht ganz so, da wir den Kessel nur an einer Stelle im Gelände bearbeiten konnten. Aber schaut man sich die Lafette etwas genauer an, so erkennt man, daß die Lafette Spanngurte und unter dem Kessel kleinere Rollen hat. Damit konnte man den Kessel in die für die Arbeiten bequemste Position drehen. Denn Schweißen und Brennen über Kopf ist nicht gerade das Gelbe vom Ei.

Aber schauen wir uns den Kessel doch einmal genauer an. Uns interessiert im Augenblick nur der Teil, den man als Hinterkessel (das Drittel im Vordergrund) bezeichnet. Man sieht, daß er eine riesige Anzahl von "Pocken" hat. Das sind sogenannte Stehbolzen. Diese Teile tragen die Feuerbüchse und versteifen gleichzeitig die Festigkeit der ebenen Kesselbleche. Die Stehbolzen sind normalerweise 18 mm dick und zwischen 140 und 180 mm lang. Sie haben eine durchgehende Bohrung von 5 mm, die nach außen verschweißt ist. Da die Stehbolzen einer enormen Belastung unterzogen werden, kommt es vor, daß sie Risse bekommen oder gar ganz brechen. Daß so ein Bolzen defekt ist, erkennt man, wenn aus der Bohrung Wasser austritt. Ich denke, damit ist der Sinn der Bohrung klar. Damit ist die Festigkeit des Kessels noch nicht gefährdet. Aber eine bestimmte Anzahl an defekten Teilen darf nicht überschritten werden! Wir hatten uns damals entschieden, alle solche Stehbolzen, und das sind weit über tausend Stück, gegen neue auszuwechseln.

Dann sieht man an der Seite zwei merkwürdige dicke Winkelbleche. Das sind die seitlichen Stützen des Kessels. Der Kessel ist nur vorne an der Rauchkammer und etwa in der Mitte des Kessels über ein sogenanntes Pendelblech mit dem Rahmen fest verschraubt. Nach hinten muß der Kessel sich wegen der Wärme frei ausdehnen können. Die seitlichen Stützen tragen den nur lose auf dem Rahmen liegenden Kessel. Damit er sich nicht nach oben bewegen kann, werden am Rahmen gleitende Klammern angeschraubt.

Theoretisch ist noch eine gewisse Seitenbeweglichkeit des Kessels möglich. Aber auch hier ist sie mit einer nach hinten gleitenden Verbindung dem Schlingerstück unterbunden. Das Schlingerstück wird durch seitliche nachstellbare Keile geführt. Im Bild ist eine Stütze unter dem Schlingerstück aufgestellt.

Auf dem Foto erkennt man im Kessel mehrere "Kuhlöcher". Auch wenn sie rund erscheinen, sie sind bis auf drei Stück alle oval. Ich habe mal auf die Schnelle 11 Stück gezählt. Es sind weitaus mehr vorhanden, aber diese paar fallen halt sofort auf. Das sind die sogenannten Waschluken. Seit man dem Speisewasser zur Verhinderung von Kesselstein Chemikalien zusetzt, kommt dem Auswaschen des Kessel eine erhöhte Bedeutung zu. Durch die Chemikalien bildet sich kein fester Kesselstein, sondern ein loser Schlamm. Der Schlamm ist ein Naturprodukt (überwiegend Kalk) und somit unschädlich und die Dispergiermittel für den Schlamm sind meist auf Tanninbasis und somit biologisch abbaubar.

Über die Armaturenstutzen brauch ich ja nix zu erzählen. Das ist ja offensichtlich.

Das Foto zeigt übrigens kein Stilleben. Man muß nur genau hinsehen.

Commenti 11

  • Apit 30/12/2011 8:59

    Recht vielen Dank für die Informationen dazu! So bleibt mit der Zeit das Buch das einzige "Originalteil" eines Kessels im Betrieb.
    Grüße, Apitt
  • Maschinensetzer 30/12/2011 0:31

    Jetzt muss ich aber auch einmal ein Lob loswerden wegen der interessanten Fotos und der engagierten Erklärungen dazu. Nicht oft habe ich solche allgemeinverständliche Erläuterungen zur Dampftechnik gelesen!

    Ich möchte nur hinzufügen, dass einige Erklärungen bauartspezifisch und zwangsläufig nicht allgemeingültig sind. So habe ich einmal eine Lokomotive mit Kupferfeuerbüchse besessen, wo feuerbüchsseitig die Stehbolzen logischerweise nicht geschweißt werden konnten, sondern mit Gewinde und Verstemmen dicht gehalten wurden. Die Erläuterung der Unterschiede zwischen Kupfer- und Stahlfeuerbüchse würde hier allerdings den Rahmen sprengen.

    Viele Grüße
    Thomas
  • blind lense 29/12/2011 15:30

    @ Apitt. Die Rauchkammer ist geschweißt, die Niete sind reine Zierniete, die von innen verschweißt wurden.

    Der gesamte Langkessel ist eine Schweißkonstruktion. Einzig der vordere Kesselschuß ist eingenietet. Wobei aber hier ein Flicken so dicht an die Nietreihe geschweißt wurde, daß es hier in der Vergangenheit zu Dichtigkeitproblemen kam. Auch wenn der Kessel teilweise sogar rechtgroßzügig Einschweißflicken hat, behält er doch seine alte Nummer, die im Kesselbuch von 1919 eingetragen ist. Mit diesem Kessel wurde die Lok nicht ausgerüstet. Sondern der Kessel ist vorher schon auf anderen P8-Lok gewesen. Der Ursprungskessel ist schon in grauer Vorzeit getauscht worden.
  • Apit 29/12/2011 14:12

    Dieser Kessel zeigt auch schön den Technologiewandel vom Nieten zum Schweißen. Der Hinterkessel ist schon zu großen Teilen erneuert und ausgeflickt und ist an den Langkessel angeschweißt, der Bodenring noch genietet. Die Schüsse haben auch noch Nietverbindungen, der vordere hat aber soweit erkennbar auch schon einen eingeschweißten Rohrspiegel. Sind die Rauchkammernieten noch echt oder schon geschwindelt ? ;-)
    Du machst dir sehr viel lohnenswerte Mühe mit dieser Serie!
    Grüße Apitt
  • Dieter Jüngling 28/12/2011 21:10

    Das ist eine top Serie. Die Fotos sind klasse und die Erleuterungen sind für den Laien recht klasse gemacht.
    Ab und zu schaue und lese ich in meinem dicken Buch "Die Dampflopkomotive" nach. Das ist feinste Lektüre für edelste Technik.
    Das kommt gleich nach dem "Niederstrasser". Hier kann man diese Technik echt nachvollziehen.
    Danke noch mal für diese klasse Serie.
    Gruß D. J.
  • blind lense 28/12/2011 19:19

    @Micha und @Andreas warum sollte ich mein Wissen in einer Stillen Kammer behalten? Das hieße doch nur gelernt, um es wieder zu vergessen.. Ein bissel ausstreuen (für ein Buch reicht's nicht) mache ich ganz gerne. Es hilft vielleicht, daß viele Dinge nicht in Vergessenheit geraten. Andererseits erfährt der eine oder andere auch ihm bislang unbekannte Dinge.

    Apropos Vergessenheit: Ziemlich genau 34 Jahre liegt der letzte große Kesselzerknall, der sich bei der Einfahrt in den Bf Bitterfeld ereignete, zurück. Am 27. November 1977 war das. Wer das Ereignis nicht kennt, dem empfehle ich mal unter dem Datum und Kesselzerknall zu googeln. Welche Energie da spontan frei werden kann, das geht auf keine Kuhhaut.
  • Andreas Pe 28/12/2011 17:59

    Deine Dokumentation ist es Wert, ein Buch zu füllen.
    In diesem Zustand sieht man so einem Kessel nicht an, welche gewaltige Energie er gegebenenfalls freisetzen kann.
    Viele Grüße und einen guten Rutsch Andreas!
  • Michael PK 28/12/2011 12:17

    Eine wunderbare Doku,ich lerne hier jede Menge dazu.Gut wenn jemand vom Fach sein Wissen weitergibt.Danke
  • blind lense 28/12/2011 11:50

    Upps hab was wichtiges vergessen.

    Bei einigen Stehbolzen, besonders auffällig rechts die beiden oberen Reihen, ist die Befestigung zu erwähnen. Normalerweise wird so ein Bolzen einfach durch die Feuerbüchs- und Kesselwand durchgesteckt. Die Bohrung ist 1mm größer als der Bolzendurchmesser. Dann wird der Bolzen wie es im Fachjargon heißt "mit Spiel" auf beiden Seiten mit der Wand verschweißt. Dadurch gwinnt man eine kleine Spanne an Bewegungsfreiheit, damit diese Bolzen nicht so schnell brechen können, wenn sich die Wände unterschiedlich schnell ausdehnen. Die eingangs erwähnten Reihen und natürlich auch alle anderen mit gleichem Aussehen haben eine Besonderheit. Man spricht hier von Gelenkstehbolzen. Auf der Feuerbüchsseite sind sie ganz normal mit Spiel eingeschweißt, auf der Außenseite des Kessels liegen sie mit ihrem besonders kugelig geformten Kopf in einer Pfanne. Somit können sie hier noch besser der Bewegung folgen, ohne zu reißen. Da sie an diese Stelle aber nicht dichten können wird um sie herum eine halbkugelförmige Kappe geschweißt. Diese Kappe ist hier schon abgebrannt worden.

    @BP Nein das ist kein Heizstrahler, wenn man mal die trotzallem enorme Hitzeentwicklung des Halogenstrahlers außer Acht läßt. Der Kollege brennt grad einige Rohre hinter dem Rohrspiegel der Feuerbüchse ab. Die Rohre sind auf dieser Seite mit der Wand verschweißt. Vorne in der Rauchkammer sind sie eingewalzt und können dort herausgeschoben werden. siehe
    Reichsbahnausbesserungswerk VII
    Reichsbahnausbesserungswerk VII
    blind lense
  • Volkmar Kleinfeldt 28/12/2011 10:32

    Sehr schöne Erklärung, damit kann man seine Kenntnisse wieder auffrischen.
    Vielen Dank für die gemachte Mühe.
    Gruß Volkmar (mehr 1:160 als 1:1 ...)

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